Ich würde morgens gerne aufstehen und auch ohne Kaffee schon klar denken. Ich möchte es eine realistische und kluge Idee finden, morgens um halb sechs aufzustehen, um vor der Arbeit schon laufen zu gehen. Autokorrektur soll mir keine hektisch getippten Nachrichten versauen und ich will mich an einen Schreibtisch setzen und arbeiten. Abiturkorrekturen sollen leicht von Hand gehen, angstfrei und entspannt und ich möchte auch aus dem Ärmel geschüttelt nach einem vollen Schultag fantastisch korrekte Gutachten schreiben, um sieben Feierabend machen und dann noch drei Stunden mit jemandem ein Bier trinken gehen um dann gegen zehn einfach so einzuschlafen.
Nicht zu vergessen, Kleidung zu besitzen, die gebügelt werden muss, womöglich noch ein Tier, das betreut werden muss, einen Side-Hustle, drei Fortbildungen, ein volles Konto oder – die Königsdisziplin – Kinder UND ein sauberes Haus.
Ich habe zu meiner Leistungsfähigkeit mal ein Planungsdreieck angefertigt. Die meisten kennen das Beispiel mit Qualität, Zeit und Geld. Will man etwas schnell und günstig, wird es schlecht, will man es gut und günstig, kostet es Zeit, will man es schnell und gut, kostet es Geld.

Ich nenne meins das Battle of Perfectionism, FOMO and Impulskontrolle. Entweder ich arbeite effektiv, halte die Wohnung sauber, die Kohle zusammen und esse normal, dann habe ich aber keine Zeit für niemanden, gehe nicht ans Telefon und stelle idealerweise das Internet ab.
Oder ich korrigiere und habe ein Sozialleben, snacke dabei aber ab und zu ein ganzes Brot oder eine Flasche Wein und die Krümel verteilen sich zwischen Arbeitszimmer und Küche und ziehen eine charmante Spur über den Wäscheberg und die unbezahlten Rechnung, die mein Gehirn zwar ganz kurz registriert, nach der Ablage auf dem Küchentisch aber auch schon wieder nie gesehen hat.
Oder ich halte mein Leben in Ordnung und sehe Menschen, aber dann arbeite ich nicht.
Alles drei ist schlussendlich nicht ideal, Mittelwege habe ich in fast 40 Jahren nicht gefunden. Nur kreativ werde ich regelmäßig in meiner Verzweiflung.
Da ich mein Dreieck kenne, treibe ich mich – zwar unglücklich und oft sehr frustriert – aber letztendlich halbwegs mit Erfolg zwischen den Eckpunkten hin und her, sei denn es kommt Faktor X dazu: Spontane Stöcke in den metaphysischen Speichen des metaphysischen Hamsterrads, z.B. durch plötzlich auftretende depressive Verstimmungen, Schmerzen, Gewichtsschwankungen, akute Bewusstwerdung der Nichtigkeit allen Seins, die Erkenntnis, dass ich einfach nur malen will und seit Jahren gegen meinen Willen an einem Ort arbeiten muss, der mir so sympathisch ist wie Sachsen auf dem platten Land (keine guten Erfahrungen), was mich zu allem Überfluss auch noch dazu zwingt, im Monat 32 Stunden und ca 300 Euro auf der A2 verdampfen zu lassen, Regen.

Dann geschieht etwas magisches. Alle To-Do Zettel, die mein Gehirn in den Gehirnhänden hatte, fallen simultan leise rascheln zu Boden und eine geistige Nulllinie erfüllt mit einem persistenten Piepen die Sphäre.
Dann passiert nichts mehr, nur ab und an weht ein sanfter Wind durch die Windungen und wirbelt einen marodierenden Gedanken auf, der eigentlich gar nicht Teil der Aufgabenliste war, wie z.B die Tatsache, dass ich jetzt gerne irgendwo anders wäre. In einem anderen Leben zum Beispiel. Oder was ein Hund denkt, wenn er „adoptiert“ wird. Warum ich manchmal Fleisch esse, obwohl ich Fleisch essen richtig schlimm finde.
Und dann irgendwann kommt der Gedanke: Warum bin ich so?
Warum können andere Menschen so sein, dass sie einen Plan machen und so arbeiten, so essen, so schlafen, so leben und so sind wie sie es planen. Warum fällt es anderen so leicht, das Dreieck komplett zu leben, ohne dass ihr Gehirn nach der Hälfte des Tages sagt: „Achja, wollten wir heute mal wieder größenwahnsinnig sein, ja? Vier Punkte auf der to-Do Liste? HAHAHAAH. Dann betätigen wir mal den Not-Aus.. genauuuu. Dir fallen die Augen zuuu. Halbe Stunde? Haha. Ja. Nein. Wir reden in frühstens zweieinhalb Stunden wieder. Ja klar kannst du danach wieder ins Bett. Jetzt schööööööööööön schlafen.“

Übrigens, wenn ich versuche das Nap durch Wasser, Essen oder Bewegung zu umgehen, wird es nur verschoben. Wenn man mir ein neues Gehirn gäbe, das ohne Aussetzer funktioniert, wäre ich bestimmt brillant!
Naja, lange Ausführungen, die eigentlich kurz zusammenzufassen sind: Ich kann nicht so wie andere und oft tut mir das Gehirn weh. Dann muss ich wieder langsam hochfahren, was natürlich – haha – auch wieder Zeit kostet. Manchmal hilft es dann, die Gedanken aufzuschreiben und dann ist der Tag ist schon fast um und anstatt zu arbeiten, habe ich einen Blog geschrieben.